Als Ritual kennen es viele. Doch dass mit dem Wachrütteln der Obstbäume auch eine ganz praktische Hilfe für die Natur verbunden ist, wurde mir erst mit den letzten heftigen Schneefällen klar.
Wer kennt den Apfelsegen Wassail? Den Brauch, im zeitigen Frühjahr die Obstbäume wachzurütteln? In den Mythengeschichten sind da Frau Holle oder die Lichtgöttin Brigid am Werk, denen es vor allem ums Wohl der Apfelbäume geht. Äpfel waren und sind das Obst, das hier bei uns in Mitteleuropa mit am besten gedeiht und sich lang über den Winter hält. Unsere Ernte hier am Hof reicht meist bis etwa Lichtmess: die Überreste, die bis dahin nicht gegessen und verarbeitet wurden, werden faulig. Genau dann – von Imbolc am zweiten Vollmond nach der Wintersonnwende ( bzw. Lichtmess am 1./2. Februar) bis hin zum Frühlingsbeginn – werden die Apfelbäume wachgerüttelt als Segensbringer für die neue Ernte.
Dass dieser Brauch nicht nur ein magisches Ritual ist, sondern auch eine ganz profane, praktische Seite an sich hat, ist mir vor ein paar Tagen klar geworden: Übernacht hatte sich unser Obstgarten von einer zartgrünen Frühlingsoase zurück in eine tief verschneite Winterlandschaft verwandelt. Dicke Schneelasten drückten die Äste der Bäume zu Boden, hie und da hallte ein furchterregendes Krachen aus dem Wald: manche Bäume hielten der Last bereits nicht mehr Stand, ihr Holz zerbarst lautstark. Alarmiert schnappte ich mir den Besen, stapfte damit in den Garten und befreite Baum für Baum vom Schnee, der nahe dem Frühlingsbeginn natürlich schon sehr nass und schwer vom Himmel fällt. Während mein Gerüttel es von den Ästen schneien ließ, kam ich mir tatsächlich ein bisschen vor wie Frau Holle: nicht sehr magisch, aber dafür mit einem wunderbaren Gefühl der Verbundenheit mit den Bäumen, die uns im Herbst mit so vielen Äpfeln und Zwetschgen beschenken.
Also die Prozedur den Apfelbaum vom Schnee zu befreien kenne ich durchaus. Aber dass man das früher im Rahmen eines Rituals gemacht hat, war mir nicht bewusst.
Im Grund ist doch alles ein Ritual, wenn man es nur bewusst und achtsam im Einklang mit Mutter Erde macht. Dann braucht es gar nicht vieler Gesten und Worte. Schaden tun die aber trotzdem sicher nicht.