Bei der julianischen und gregorianischen Kalender-Reform haben wir die Rechnung ohne den Mond gemacht. Was das für unsere Kultur bedeutet? Hm ...
Sämtliche ursprünglichen Kalender nehmen die Sonne und den Mond und bisweilen auch die Fixsterne zu Hilfe, um die Zeit messen und einteilen zu können. Im chinesischen und jüdischen Kalender orientiert man sich heute noch nach Sonne und Mond gleichermaßen. Im westlichen gregorianischen Kalender jedoch regiert ausschließlich die Sonne. Klar, die Monate stammen ursprünglich vom Mondphasenzyklus. Aber längst ist die Länge der Monate vom Mond entkoppelt, denn ein Mondphasenzyklus dauert nun mal 29,5 Tage, und nicht 30 oder 31 oder 28 Tage. Und außerdem entspricht ein Sonnenjahr nicht exakt zwölf Mondphasenzyklen!
Ein Problem, das übrigens allen Kalendersystemen zu schaffen macht und das üblicherweise mit Schaltmonaten alle zwei bis drei Jahre gelöst wurde. Julius Caesar, der den römischen Lunisolarkalender erstmals einer Reform unterzog, strich die Schaltmonate, machte die Monatslänge passend für das Sonnenjahr und löschte damit den Mond aus dem Kalender. Später reformierte Papst Gregor den julianischen Kalender erneut, weil ein Sonnenjahr nun mal 365,25 Tage lang ist und nicht exakt 365 Tage. Weihnachten hatte sich plötzlich in den Herbst hinein verschoben! Um dem entgegen zu wirken, wurde der 29. Februar als Schalttag eingeführt. Der Mond aber blieb weiter außen vor.
Dass das nicht überall auf Zustimmung stieß, verrät uns beispielsweise das Märchen von Dornröschen: Zwölf Feen werden zum Fest eingeladen. Die dreizehnte darf nicht kommen, weil für sie kein goldener Teller mehr übrig ist. Gold war schon immer die Sonnenfarbe. Diese Fee rächt sich für ihre Missachtung, indem sie das Kind des Hauses mit einem tödlichen Fluch belegt.
Dass wir so gern den Geschichten über die Macht des Mondes lauschen, liegt an unserem assoziativen Denken, dem Denken in Analogien oder Gleichnissen – wie oben, so unten. Wie im Großen, so im Kleinen. Stellen wir Zusammenhänge zwischen bestimmten Ereignissen fest, merken wir sie uns und bekommen ein Gefühl von Berechenbarkeit, von einer gewissen Ordnung und Kontrolle in und um uns herum. Das wiederum gibt uns Sicherheit und Halt. Es schafft Vertrauen ins Leben. Unsere Vorfahren haben sich an der Sonne, an den Fixsternen (den Sternbildern) und am Mond festgehalten. Diese kosmischen Regelmäßigkeiten haben ihr Leben zeitlich strukturiert und ihnen Halt und Orientierung gegeben.
Ein Kalender, der eines unserer zentralen Gestirne außer Acht lässt, nimmt uns ein Stück dieser Sicherheit, der Verbundenheit mit dem Kosmos. Dank unserem gregorianischen Kalender sind wir nicht mehr ganz so vertraut mit den Mondzyklen und müssen uns diese natürliche Verbindung erst wieder Stück für Stück zurückholen. Manchmal geraten wir dabei auf Irrwege, schreiben dem Mond Einflüsse zu, die er vielleicht gar nicht oder wenn doch auf ganz andere Weise hat, oder betonen den Mond plötzlich überdimensional im Vergleich zur Sonne.
Letzteres passierte in der arabischen Welt, wo eine Kalenderreform auf die Mond-Seite ausschlug: Nach der Eroberung Mekkas 632 reformierten die Moslems den altarabischen Kalender und strichen einfach das Sonnenjahr raus. Ihre Zeitrechnung orientiert sich seither rein an den Mondphasen, weshalb beispielsweise der Fastenmonat Ramadan mit der Zeit durch sämtliche Jahreszeiten wandert.
Ob nun so oder so: Beiden Kalendersystemen fehlt etwas. Wenn beide Kulturen achten und schätzen, was die jeweils andere Seite an Weisheit zu bieten hat, wäre die Sache schon viel runder ...
Durch das Weglassen des Mondes bei der Berechnung des Kalenders wurde ein Ungleichgewicht geschaffen. Das hat m.E. mit dazu beigetragen, dass sich unsere Gesellschaft immer materialistischer entwickelt hat. Es wäre Zeit der Erkenntnis, dass wir uns in Richtung naturverträglichem Leben zurück entwickeln sollten, auch einen dazu passenden Kalender zur Seite stellen sollten. Wie könnte der aussehen?